Verfassungsschutz
BK und DSN: Gemeinsamer Schlag gegen rechtsextreme Rockerkriminalität
Nach Hausdurchsuchungen am 26. Juni 2023 in Oberösterreich und Niederösterreich kam es zu sechs Verhaftungen und zur Sicherstellung von großen Mengen an Waffen, NS-Devotionalien, Kriegsmaterial und illegalen Suchtmitteln. Innenminister Gerhard Karner betonte das konsequente Vorgehen gegen jede Form von Extremismus und dankte den ermittelnden Behörden.
Am 26. Juni 2023 gelang dem Bundeskriminalamt (BK), der Direktion Staatschutz und Nachrichtendienst (DSN) und dem Landeskriminalamt (LKA) Oberösterreich nach monatelangen, bundesländerübergreifenden Ermittlungen und in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis ein Ermittlungserfolg gegen den Motorclub (MC) Bandidos. Bei 13 Hausdurchsuchungen in Oberösterreich und Niederösterreich wurden große Mengen an Waffen, NS-Devotionalien, Kriegsmaterial und illegalen Suchtmitteln sichergestellt. Sechs Personen wurden verhaftet sowie diverse Delikte angezeigt, unter anderem nach dem Verbotsgesetz, dem Kriegsmaterial- und Waffengesetz und dem Suchtmittelgesetz. Die Festgenommenen gehören sogenannten "Outlaw Motorcycle Gangs" an, deren Mitglieder sich Großteils aus dem rechtsextremen Milieu zusammensetzen. Einige der Beschuldigten weisen enge Verbindungen zur rechtsextremen kriminellen Verbindung "Objekt 21" auf. Alle sechs Beschuldigten befinden sich in Untersuchungshaft.
"Das Innenministerium geht konsequent, entschlossen und mit Nachdruck gegen jede Form von Extremismus vor. Ich danke den ermittelnden Behörden für ihre exzellente Arbeit. Dieser Fall zeigt einmal mehr, wie umfassend und nachhaltig das demokratische Zusammenleben in unserem Land geschützt wird und Extremismus – ohne Unterschied ob politisch oder religiös motiviert – mit aller Vehemenz bekämpft wird", sagte Innenminister Gerhard Karner.
"Wir nehmen den Kampf gegen die organisierte Kriminalität und extremistische Gruppierungen sehr ernst und gehen konsequent gegen die Strukturen und Netzwerke vor", sagte Dr. Franz Ruf, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit im Innenministerium, bei einer Pressekonferenz am 29. Juni 2023 in Wien. "Mit der von mir angeordneten AG ‚CORIUM‘ ist uns ein wesentlicher Schlag gegen die organisierte Rockerkriminalität und gegen das rechtsextremistische Milieu gelungen. Österreich darf kein Hoffnungsland für Neonazis und organisierte bewaffnete Bandenkriminalität sein."
DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner betonte: "Wenn Rechtsextremismus und organisierte Kriminalität in einer kriminellen Vereinigung aufeinandertreffen, entsteht eine höchst verfassungsgefährdende Lage, in der die DSN konsequent einschreiten muss." Er ergänzte: "Die Ermittlungen haben gezeigt, wie stark Rechtsextremismus in Outlaw Motorcycle Gangs vertreten ist und dass in diesem Milieu die rechtsextreme Gewaltbereitschaft und Waffenaffinität äußerst hoch ist. Der Verfassungsschutz hat diese Entwicklungen im Blick und setzt laufend entsprechende Maßnahmen gegen Rechtsextremismus."
BK-Direktor Andreas Holzer sieht neben den erfolgreichen Ermittlungen auch Verbesserungsmöglichkeiten. "Ich bin sehr stolz auf diesen Ermittlungserfolg, muss aber gleichzeitig betonen, dass sich die Ermittlungen als schwierig erwiesen haben. Derzeit ist eine Überwachung von Messengerdiensten, die Täter hauptsächlich benutzen, aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Wir müssen den Strafverfolgungsbehörden auch angemessene Werkzeuge zur Umsetzung der Aufgaben in die Hand geben. Ziel muss sein, eine verfassungskonforme Überwachungsmöglichkeit verschlüsselter Kommunikation umzusetzen. Dadurch würden Ermittlungen schneller voranschreiten und es könnten auch Straftaten verhindert werden."
Monatelange Ermittlungen
Seit Dezember 2022 stehen Outlaw Motorcycle Gangs im Fokus der Ermittlungen der Sicherheitsbehörden, nachdem bekannt geworden war, dass der MC Bandidos eine Expansion nach Österreich anstrebt und hier Standorte, sogenannte Chapter, gründen möchte. In der Schweiz sorgten bereits ähnlich gelagerte Vorfälle in der Vergangenheit für gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den Bandidos und dem dort ansässigen Hells Angels MC. Um solchen Entwicklungen in Österreich vorzugreifen, wurden durch die Rockerzentralstelle im Bundeskriminalamt und dem Ermittlungsbereich gegen Rechtsextremismus in der DSN tiefergehende Ermittlungen aufgenommen und anhand der Erkenntnisse eine gemeinsame Arbeitsgruppe installiert. Im Rahmen der Arbeitsgruppe führten das Bundeskriminalamt und die DSN bundesländerübergreifende Ermittlungen gegen eine größere kriminelle Vereinigung wegen des Verstoßes nach dem Waffengesetz, Kriegsmaterialgesetz, Verbotsgesetz und Suchtmittelgesetz. Rund 15 Beamtinnen und Beamte des Bundeskriminalamts, dem die operative Leitung der Arbeitsgemeinschaft untersteht, der DSN sowie des Landeskriminalamts (LKA) Oberösterreich, ermittelten hinsichtlich zweier Ermittlungsstränge: Neben dem Bandidos MC wurde auch der Hells Angels MC in den Mittelpunkt der Ermittlungen gerückt, da sich schnell bestätigte, dass Teile dieser Gruppierungen bewaffnet und im Drogen- und Waffenhandel tätig sind sowie durch Gewalttaten auffallen. Ziel der Sicherheitsbehörden war, eine Neugründung in Österreich zu verhindern und die bestehenden Outlaws Motorcycle Gangs zu zerschlagen.
Erster Ermittlungserfolg Ende 2022
Ende 2022 wurde ein deutscher Staatsbürger bei der Einreise von Österreich nach Deutschland bei einer Verkehrskontrolle angehalten, bei der Schusswaffen, Kriegsmaterial und Munition im Fahrzeug vorgefunden wurden. Der Festgenommene konnte dabei eindeutig als Mitglied der als kriminelle Organisation eingestuften Outlaw Motorcycle Gang des Bandidos MC zugeordnet werden. Die Arbeitsgruppe hat nach den ersten Ermittlungen schnell einen Bezug zu den Hintermännern nach Österreich hergestellt und so nicht nur die Waffenlieferanten ausgeforscht, sondern auch die Strukturen der Bandidos aufgebrochen. Dadurch konnten dem MC Verstöße nach dem Verbotsgesetz, dem Waffengesetz und der organisierte Suchtmittelhandel angelastet werden. Ebenfalls belegten Ermittlungen der DSN die vermutete Vernetzung in die rechtsextreme Szene und Kontakte der Gruppierung ins Ausland.
Hells Angels-Mitglied festgenommen
Anfang Juni 2023 wurde nach umfangreichen Strukturermittlungen ein Mitglied des Hells Angels Charters in Wien festgenommen. Bei ihm wurden verbotene Waffen, fünf Kilogramm Cannabiskraut und rund 250 Gramm Kokain sowie rund 28.000 Euro Bargeld sichergestellt. Wegen eines schweren Gewaltdelikts werden unterdessen weitere Ermittlungen geführt. Durch die Verhaftung wurde nicht nur in die mittlere Führungsebene eingedrungen, sondern auch länderübergreifende Erkenntnisse für zukünftige operative und strategische Maßnahmen für die Bekämpfung der Rockerkriminalität gewonnen.
Sechs Festnahmen bei konsolidierter Aktion
Die Ermittlungen der Arbeitsgemeinschaft gestalteten sich insofern als schwierig, weil die Beschuldigten in äußerst konspirativer Weise vorgingen und fast nie offene Kommunikationskanäle benutzten, um ihre Machenschaften zu verabreden. Anfang Juni lagen dem Bundeskriminalamt und der DSN genügend Hin- und Beweise vor, um gegen mehrere Beschuldigte einzuschreiten. In enger Abstimmung zwischen dem Bundeskriminalamt, der DSN, dem LKA Oberösterreich und der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis wurden am 26. Juni 2023 in einer konsolidierten Aktion 13 Hausdurchsuchungen durchgeführt, bei denen große Mengen an Waffen, Kriegsmaterial, rund fünf Kilogramm Cannabiskraut, rund ein Kilogramm Kokain und 650 Gramm Amphetamine, hunderte Waffenbausätze und Bestandteile für 500 bis 800 Waffen sowie mehrere tausend Patronen sichergestellt wurden. Die festgenommenen Mitglieder der Bandidos wurden zur Untersuchungshaft in die Justizanstalt Ried im Innkreis überstellt.
Verbindungen zur Führungsebene von rechtsextremen Verbindungen
Die rechtsextreme Verbindung des ehemaligen "Objekt 21" finanzierte ihre Verbreitung des nationalsozialistischen Gedankenguts durch organisierte Kriminalität. Der seit 2010 bestehende Verein fand seine finanziellen Einnahmequellen im Bereich von Gewalt, Eigentums-und Vermögensdelikten, in der Suchtgiftszene, der Rotlichtszene und im Waffenhandel. In ihrer kriminellen Tätigkeit ist die Verbindung besonders im deutschsprachigen Raum eng vernetzt, wodurch eindeutige Bezüge von Rechtsextremisten des ehemaligen "Objekt 21" zu österreichischen Mitgliedern der Bandidos MC festgestellt wurden. Eine der festgenommenen Personen ist der obersten Führungsebene des ehemaligen "Objekt 21" zuzuordnen. Weitere Beschuldigte weisen einen engen, langjährigen Bezug zum ehemaligen "Objekt 21" oder deren Führungspersönlichkeiten auf. Einige von ihnen wurden zuvor bereits nach dem Verbotsgesetz verurteilt. Durch das Eindringen in die oberste Führungsebene und die Mitgliederebene des ehemaligen "Objekt 21" ist dem Verfassungsschutz ein wichtiger Schlag gegen den Rechtsextremismus gelungen. Bei den Beschuldigten wurden diverse NS-Devotionalien, von Flaggen, über Uniformteile, Büsten, Bilder bis zu Dolchen sichergestellt.
Bisher leiteten das Bundeskriminalamt und der Verfassungsschutz im Rahmen der Arbeitsgruppe gegen 34 Beschuldigte Ermittlungsverfahren ein und nahmen zehn Tatverdächtige fest. Insgesamt wurden seit Beginn der Arbeitsgruppe rund 550 Sicherstellungen nach dem Verbotsgesetz verzeichnet sowie rund 600.000 Euro an Bargeld und über 300 elektronische Datenträger sichergestellt. Allein bei den Hausdurchsuchungen am 26. Juni 2023 wurden ca. 35 Langwaffen, ca. 25 Maschinenpistolen, ca. 100 Pistolen, über tausend Waffenteile, ca. 400 Signalwaffen und mehr als 10.000 Schuss Munition sowie Granatwerfer und Rauch- und Nebelwurfköroper sichergestellt. Die Auswertung der bei den Hausdurchsuchungen sichergestellten Datenträger dauert noch an und die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.